Geschichte der Ansichtskarte

Geschichte der Ansichtskarte

Anabel Herrera Veröffentlicht am 5/20/2024

Wie alle bedeutenden Erfindungen hat auch die Ansichtskarte leise eine Veränderung in unseren Gewohnheiten herbeigeführt. Sie hat uns diskret von der Mühsal des Briefschreibens befreit. Dennoch gibt es Menschen, die sich an die Zeiten erinnern, in denen es üblich und sogar erfreulich war, Briefe an Freunde zu verfassen – Momente der Entspannung. Glücklicherweise hat die Ansichtskarte den modernen Schreiber von dieser Last befreit. Früher musste man, wenn man ins Ausland reiste, viel Zeit aufwenden, um ausführliche Reiseberichte an Freunde zu Hause zu senden. Heute kauft man einfach an jedem Bahnhof eine Postkarte, fügt ein paar Worte mit einem Bleistift hinzu und sendet sie ab, was das Reisevergnügen noch steigert.

So beschrieb der Londoner Journalist James Douglas die Rolle der Postkarte als Kommunikationsmittel nur zwei Jahrzehnte nach ihrem Auftauchen im Jahr 1893. Am 1. Oktober 1869 wurde die erste “Korrespondenzkarte” in Österreich versendet und erreichte am nächsten Tag Kirchdorf. Die Nachricht war knapp und persönlich: Der Sender bat den Empfänger um einen Besuch.Geschichte der Postkarten

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Das Hauptziel der ersten Postkarten war einfach, Kosten zu senken. Emanuel Herrmann, ein österreichischer Ökonom, hatte Anfang des Jahres den Handelsminister vorgeschlagen, diese neue Form der Korrespondenz einzuführen, ein Vorschlag, der auch in der “Neuen Freien Presse” veröffentlicht wurde. Die Idee war, kurze Nachrichten wie Ankündigungen, Wünsche oder Grüße auf kleinen Karten zu einem erschwinglichen Preis zu versenden. Sie wurden ohne Umschlag verschickt, die Briefmarke war bereits aufgedruckt, die Adresse befand sich auf einer Seite und die Nachricht auf der anderen. Durch ihre einfache Handhabung würden sie auch Menschen mit begrenzten Lese- und Schreibfähigkeiten zugänglich gemacht. Der Vorschlag wurde von Adolf Maly, dem Direktor des Wiener Post- und Telegraphenamtes, begrüßt und schnell genehmigt.

Postkarten überwinden Grenzen

Heute wird allgemein anerkannt, dass Herrmann sich das Verdienst mit Heinrich von Stephan, dem Postmeister des Deutschen Reiches, teilt. Dieser hatte 1865 auf einer internationalen Postkonferenz vorgeschlagen, das “Postblatt” in Form eines Scheckbuchs einzuführen, was er als billigeres und praktischeres Kommunikationsmittel im Vergleich zu den inzwischen veralteten Briefen betrachtete. Die Idee wurde jedoch nicht weiterverfolgt, ebenso wenig wie die von der amerikanischen Firma H.L. Lipman privat herausgegebene Postkarte, die seit 1861 ein Patent darauf besaß, den Druck jedoch aufgrund des Ausbruchs des Bürgerkriegs einstellen musste.

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Dieses neue Medium fand sofort großen Anklang und die Zahl der Postkartenhersteller stieg schnell weltweit an, von Chile bis Japan. Außerdem fand 1874 in Bern der erste Kongress des Allgemeinen Postvereins statt, des Vorläufers des Weltpostvereins, einer Einrichtung der Vereinten Nationen zur Förderung der internationalen Zusammenarbeit im Postwesen. Dadurch konnten Briefe und Postkarten grenzüberschreitend verschickt werden, ohne den Gesetzen und Tarifen der einzelnen Länder angepasst zu werden.

Die Geburt der Ansichtskarten

Keine dieser frühen Postkarten enthielt Illustrationen oder Fotos, aber ihr Potenzial wurde bald erkannt. Obwohl es schwer ist, dies genau zu datieren, wird oft das Jahr 1893 als das Jahr genannt, in dem Ansichtskarten während der Weltausstellung in Chicago erstmals öffentlich zum Verkauf angeboten wurden.

Der Postkartenboom stand in direktem Zusammenhang mit den ersten Jahrzehnten des Massentourismus. Reisende wollten Bilder von den Orten und Sehenswürdigkeiten, die sie besuchten, mit anderen teilen. Eines der frühesten Beispiele ist das der Eltern von Prinz Edward von York, die ihm 1896 eine Erinnerung an den Eiffelturm in Paris schickten.

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In diesen Jahren begann die Fotografie, sich in der Welt der Postkarten zu etablieren, ein Phänomen, das sich voll entfaltete, als die britische Post 1902 erlaubte, dass Nachrichten auf der Hälfte der normalerweise für die Adresse reservierten Seite geschrieben werden konnten. So konnte die freie Rückseite mit einem Bild gefüllt werden.

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Das Hobby des Postkartensammelns

Der “Postkartenwahn”, wie ihn die damalige Presse nannte, führte nicht nur dazu, dass die Gesellschaft Landschaften, Porträts, Ausstellungen, königliche Besuche, humorvolle Szenen oder sogar aktuelle Ereignisse darstellte, sondern auch zum Hobby des Sammelns dieser Pappstücke. So wurde 1897 in Nürnberg der Weltverband Kosmopolit gegründet, ein Verein von Postkartensammlern, der bis zum Ersten Weltkrieg aktiv war und in seiner Blütezeit allein in Deutschland mehr als 15.000 Mitglieder zählte.

Heute besinnen sich Tausende von Menschen auf der ganzen Welt mit dem so genannten “Postcrossing” oder Postkartenketten auf den ursprünglichen Geist dieser Kommunikationsform. Die Funktionsweise ist dieselbe wie früher, mit dem Unterschied, dass heute das Internet genutzt wird, um Postkartenliebhaber zu verbinden.